Mittelalterliche Zustände.
73
der Wohnort des zu Ladenden unbekannt, so wurden vier schriftliche Ladungen aus-
gefertigt und je eine an vier Orten des Landes, in welchem der Angeklagte vermutlich
sich aushielt, aus Kreuzstraßen gegen Osten, Süden, Westen und Norden aufgesteckt.
Der Geladene hatte sich an einem ihm bestimmten Orte einzufinden; hier empfing ihn
ein Schöffe und führte ihn nach dem Freistuhle.
Es wurde gegen den Angeklagten entschieden, wenn der Ankläger
sein Wort beschwur und andere achtbare Männer die Ehrenhaftigkeit des
Anklägers — nicht das Vergehen des Angeklagten — bezeugten. Be-
kannte dieser, oder wurde er überführt, so sprachen die Schöffen das
Urteil; war es die Todesstrafe, so wurde er gleich, meistens von dem
jüngsten Schöffen, an den nächsten Baum gehängt. Gelindere Strafen
waren Landesverweisung und Geldbuße. War der Angeklagte ein Schöffe,
so verwandelte sich das offene Gericht in ein heimliches, d. h. es wurde
allen Nichtwissenden bei Todesstrafe geboten, sich zu entfernen. Diese
„heimliche Acht" fand auch statt,'wenn der Geladene nicht erschien.
Die Vorladung wurde dann noch zweimal wiederholt; stellte er sich
auch dann noch nicht, so galt er als schuldig und ward verfemt, d. i.
in die Acht des Femgerichts erklärt. Daher der Name Femgericht.
Dann ward der Name des Verurteilten in das Blutbuch geschrieben,
und der also Verfemte war von jetzt an von unsichtbaren Handen ver-
folgt. Keiner durfte das Urteil verraten; wer ihn warnte oder ihm Bei-
stand leistete, ward selber vor den Freistuhl geladen. Jeder Wissende
hatte die Pflicht, das Urteil zu vollstrecken; wo er des Verfemten habhaft
werden konnte, im Hause oder auf der Straße, da stieß er ihn nieder
oder henkte ihn. Zum Zeichen, daß der Getötete durch die Feme
gefallen, ließ man ihm alles, was er hatte, und steckte ein Messer neben
ihm in die Erde. Die Wissenden hatten sogar das Recht, einen auf
handhaft er That ertappten Missethäter auf der Stelle niederzustoßen,
wenn sie ihm nur nichts nahmen und die Femzeichen zurückließen.
So war dieser Bund von vielen tausend Männern aus allen Stän-
den und allen Gegenden Deutschlands ein starker Schutz für den Frieden
im Reiche; mancher Bösewicht, der vielleicht durch Bestechung den Händen
der Gerechtigkeit entgangen war, erhielt durch die Feme seinen verdienten
Lohn, und Fürst und Ritter erbebten hinter ihren festen Mauern, wenn
in stiller Nacht vor ihrem Thore der Ruf der Freischöffen erscholl. Selbst
Kaiser Friedrich Iii. und sein Kanzler wurden zweimal vor den Freistuhl
geladen. Aber bei der ungeheuren Zahl der Wissenden (im 13. und
14. Jahrhundert 100 000) konnte es nicht fehlen, daß Unwürdige auf-
genommen wurden, welche die ihnen anvertraute Macht zur Befriedigung
ihrer Leidenschaft und Rache mißbrauchten. Schon gegen das Ende des
15. Jahrhunderts wurden mehrfach Klagen gegen die'freigerichte erhoben;
die Fürsten mochten eine solche Gewalt nicht neben sich dulden, und als
nun überall eine bessere öffentliche Rechtspflege eingeführt wurde, erlosch
die Macht der heimlichen Gerichte von selbst, ohne daß man das Ende
derselben genau angeben könnte.
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Iii Friedrich
Heinrich Iv.
39
Vh. Heinrich Iv.; 1056—1106.
Gregor Vii.
9. Konrad Ii., Heinrich Iii. Nach dem Aussterben des sächsischen
Kaisergeschlechtes (1024) war wieder ein Franke gewählt, Konrad Ii.
Er schützte Recht und Landfrieden mit kräftiger Hand, stellte das gesunkene
kaiserliche Ansehen wieder her und gewann die lombardische und die
römische Krone. Als der Herzog von Burgund starb, vereinigte Konrad
gemäß des Erbvertrages, welchen sein Vorgänger Heinrich Ii. mit dem
Verstorbenen abgeschlossen hatte. Burgund mit Deutschland. Ihm
folgte 1039 Heinrich Iii., ein kräftiger Herrscher, wie Otto der Große;
er setzte Herzöge ein und ab, der König von Ungarn mußte sein Land
von ihm als Lehen nehmen. Die Herzöge beugten sich nur mit ver-
bissenem Groll, und besonders die Sachsen ertrugen in ihrem alten Stolze
die Herrschaft eines Franken schwer. Da starb Heinrich zum großen Un-
glücke für das Reich im 39. Lebensjahre. (1056.)
b. Heinrichs Iv. Zugend, Hanno, Adalbert. Sein Sohn und 1056
Nachfolger, Heinrich Iv., war schon als Kind von 3 Jahren zum Könige ***
gewählt worden und zählte jetzt erst 6 Jahre. Seine Mutter, die Kaiserin
Agnes, übernahm zunächst seine Erziehung und die Regierung des
Reiches, und der Bischof Heinrich von Augsburg ward ihr Rat-
geber. Sie war eine edle Frau; aber es fehlte ihr die feste Willenskraft,
der sie unter so schwierigen Verhältnissen bedurfte. Denn stolz erhoben
die Fürsten ihr Haupt, um ihre durch Heinrich Iii. beschränkten Vorrechte
wieder zu gewinnen und die königliche Macht zu untergraben; die Zeiten
waren rauh und eisern, alle Achtung vor Recht und Treue schien aus
dem Reiche gewichen. Um sich unter den Großen Freunde zu gewinnen,
erteilte Agnes dem Grafen Rudolf von Rheinfelden das erledigte
Herzogtum Schwaben und vermählte ihm ihre älteste Tochter; der
sächsische Graf Ottovonnordheim erhielt Bayern. Dennoch blieben
diese Männer unzuverlässig. Es bildete sich eine ihr feindliche Partei, die
darauf ausging, sich der Person des jungen Königs und damit der
Regierung zu bemächtigen und diese an die Großen des Reiches zu bringen.
Die Seele dieser Partei war der Erzbischof Hanno von Köln, ein
Mann von geringer Herkunft, aber herrschsüchtig, schlau und streng gegen
sich und andere, dagegen herablassend gegen Niedere. Man beschuldigte
die Kaiserin, sie erziehe den jungen König zu weichlich und lasse das
Ansehen Deutschlands nach außen verfallen.
Im Frühjahr 1062 begab sich die Kaiserin mit ihrem Sohne zu
einem Lustaufenthalte nach der angenehmen Rheininsel Swibertswerth
bei dem heutigen Kaiserswerth (zwischen Duisburg und Düsseldorf)
und war von nur geringem Gefolge begleitet. Die Gelegenheit war den
Verschworenen günstig. Unvermutet erschienen eines Tages Hanno von
Köln, der undankbare Otto von Nordheim und Eckbert von Braun-
schweig; sie kamen mit zahlreichem Gefolge, ohne indes der Kaiserin
Besorgnis einzuflößen; denn man ging fröhlich zur Tafel. Als nach der
Mahlzeit der königliche Knabe in heiterer Laune war, lud ihn Hanno
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_Iv Heinrich Heinrich_Iv. Heinrich_Iv. Gregor Konrad_Ii Konrad Heinrich_Iii Heinrich Konrad_Ii Konrad Konrad Konrad Heinrich_Ii Heinrich Heinrich_Iii Heinrich Otto Heinrich Heinrich Heinrichs Heinrichs Hanno Heinrich_Iv. Heinrich_Iv. Agnes Heinrich_von_Augsburg Heinrich Heinrich_Iii Heinrich Agnes Rudolf_von_Rheinfelden Rudolf Hanno_von_Köln Hanno_von
Köln Otto
40
Mittlere Geschichte.
freundlich ein, eins seiner Schiffe zu besehen, das er mit besonderer Pracht
ausgestattet hatte. Leicht überredet er dazu den arglosen Knaben. Aber
kaum steigt dieser in das Schiff, so umdrängen ihn die Verschworenen
mit ihrem Gefolge; die Ruderknechte stoßen vom Lande und treiben mit
Macht das Schiff in die Mitte des Stromes. Der Knabe erschrickt;
schon den Tod vor Augen sehend, stürzt er sich in die Flut; sie würde
ihn begraben haben, wenn ihm nicht Graf Eckbert nachgesprungen wäre
und ihn unter eigener Lebensgefahr mit starken Armen den Wellen ent-
rissen hätte. Nur mit großer Mühe brachte man den widerstrebenden
Knaben in das Schiff zurück, wo man ihn mit Schmeichelreden allmäh-
lich beruhigte. So führte man ihn nach Köln, während das Volk in
großer Aufregung am Lande dem Schiffe folgte, das die Königsräuber
und den gefangenen König trug.
Dieser unerhörte Frevel traf am schwersten das weiche Herz der
Mutter, aber sie wagte keinen Versuch, den Räubern ihre Beute zu ent-
reißen; sie ließ sich sogar bewegen, schon nach wenigen Monaten ihren
Sohn zu besuchen und Hanno und seinen Genossen zu verzeihen. Hanno
hatte die Absicht, allein für den jungen König zu regieren; das duldete
aber der Neid der übrigen, besonderster geistlichen Fürsten nicht. Auf
einer bald darauf abgehaltenen Fürstenversammlung ward beschlossen,
daß die Vormundschaft über den König und die Reichs-
regierung immer von dembisckof ausgeübt werden solle,
in dessen Sprengel der König Hof halte. Hanno hoffte trotz-
dem den größten Einfluß auf Heinrich zu behalten; aber bei seinem hoch-
fahrenden, strengen und gebieterischen Wesen vermochte er die Zuneigung
seines Zöglings nicht zu gewinnen. Von den übrigen Erzbischöfen kamen
besonders Siegfried von Mainz und Adalbert von Bremen
häufig an den Hof und gewannen großen Einfluß, vorzüglich der letztere.
Adalbert war nicht minder ehrgeizig als Hanno, dabei aber eitel, prunk-
süchtig und verschwenderisch, hochfahrend gegen seines Gleichen, hart gegen
Niedere. Sein äußerer Lebenswandel war, wie der Hannos, untadelig,
und in seinen Bemühungen für die Verbreitung des Christentums im
Norden wurde er nicht müde; bis Island schickte er Missionare und
baute Kirchen in Dänemark, Schweden und Norwegen. Er war ein
Freund Heinrichs Iii. gewesen und bemühte sich jetzt um die Liebe Hein-
richs Iv. Schon 1063 wurde die Erziehung des Königs und die Reichs-
regierung Adalbert und Hanno allein übertragen. Wahrend aber Hanno
wegen einer Reise nach Italien abwesend sein mußte, bemeisterte sich
Adalbert des jungen Fürsten gänzlich. Agnes kehrte an den Hof zurück;
beide suchten nun dem königlichen Knaben das Leben möglichst angenehm
zu machen, und Heinrich, der bisher keine Freiheit genossen, mißbrauchte
sie jetzt nur zu oft.
1065 Ostern 1065 wurde der König auf Adalberts Drängen zu Worms
feierlich mit dem Schwerte umgürtet und dadurch — 15 Jahre alt —
für mündig erklärt. Als Heinrich sich jetzt seiner Freiheit bewußt
wurde und das Schwert an seiner Seite fühlte, gedachte er jenes Tages
von Kaiserswerth, und nur mit Mühe hielt ihn seine Mutter zurück,
daß er nicht seine erste Waffenprobe an dem Erzbischof von Köln ablegte.
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Extrahierte Personennamen: Eckbert Hanno Hanno Hanno Heinrich Heinrich Siegfried_von_Mainz Siegfried Hanno Heinrichs Hanno Hanno Agnes Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich
Heinrich Iv.
41
Aber niemals hat er Hanno jenen Tag vergessen. Heinrich war ein
Knabe von hohen Anlagen des Geistes und des Körpers, und durch eine
bessere Erziehung hätte sein feuriger Mut und sein ritterlicher Sinn leicht
auf das Höchste gelenkt werden mögen; jetzt aber waren seiner Seele
Bitterkeit und Groll eingepflanzt, und er ließ stch leicht zu Gewaltthaten
und Ausschweifungen hinreißen, die dann durch Verleumdung seiner Feinde
nur noch vergrößert wurden.
Seitdem die Mutter Heinrichs nach Rom in ein Kloster gegangen,
war Adalberts Einfluß auf den jungen König unbegrenzt; er suchte den
Neigungen und Launen des Königs auf jede Weise zu willfahren. Durch
seine Eitelkeit, Herrschsucht und Habgier brachte er es dahin, daß er
nach wenigen Monaten verhaßt war. Auf einer Fürstenversammlung zu
Tribur, südöstlich von Mainz, erklärten die Großen des Reiches dem
Könige, er solle entweder seine Krone niederlegen oder Adalbert entlassen.
Heinrich wählte das letztere und geriet abermals unter Vormundschaft
der Fürsten. (1065.)
o. Kampf mit den Sachsen. 1069 kehrte Adalbert in seine alte
Stellung zurück; seine größten Feinde waren die Sachsen, insbesondere
deren mächtiges Herzogsgeschlecht, die Billunger, die den herrschsüch-
tigen Bischof oft an der Vergrößerung seines Bistums gehindert hatten.
Den Haß gegen diese pflanzte er auch der Seele des jungen Königs ein.
Heinrich lebte meistens im Sachsenlande, zu Goslar, und legte in den
Bergen des Harzes und Thüringens starke Burgen an. 1 Die vorzüg-
lichste war die Harzburg, * Heinrichs Lieblingssitz. Die Sachsen sahen
durch diese Zwingburgen ihre alte Freiheit bedroht; auch weigerten sie
stch, den König, während er in ihrem Lande lebte, — der Sitte gemäß —
zu unterhalten, da er fast immer da war; Heinrich mußte deshalb seinen
Lebensunterhalt oft für Geld kaufen. Auch erzählte man sich in Sachsen,
Heinrich habe, von einer Bergeshöhe das Land beschauend, geäußert:
„Sachsen ist ein schönes Land, aber die es bewohnen, sind verworfene
Knechte."
Als Heinrich 1069 bei Otto von Nordheim auf einem Gute desselben zum Besuch
war, wurde nachts auf den Ritter, welcher vor des Königs Schlafgemach Wache hielt,
ein Mordanschlag gemacht, der aber fehlschlug. Da trat ein gewisser Egino mit
der Behauptung auf, es sei der Mord des Königs beabsichtigt gewesen, Herzog
Otto habe ihn selbst zum Mörder gedungen. Dabei erbot er sich, seine Aussage auf
jede Weise, auch durch ein Gottesurteil zu erhärten. Otto leugnete und behauptete,
Egino nie gesehen zu haben. Der König forderte ein Gottesurteil durch Zweikampf.
Egino hatte einen sehr üblen Ruf; dennoch wollte Otto gegen den Rat seiner Freunde
sich mit ihm ichlagen, wenn Heinrich ihm sicheres Geleit gewähren wollte. Heinrich
weigerte sich, ihm ein Geleit, wie er cs forderte, zu versprechen; daher stellte Otto
sich nicht. Da ward er durch die Fürsten in die Acht erklärt, sein Herzogtum, seine
Lehen und Allode wurden eingezogen. Otto setzte sich zwar zur Wehr, mußte sich
aber schon Ostern 1011 mit seinem Freunde, dem jungen Herzoge Magnus von
Sachsen, und anderen vornehmen Männern unterwerfen. Otto wurde bald wieder
1 Heinrichs Baumeister war der Bischof Benno von Osnabrück. -Die
Burg stand auf dem Burgberge bei dem Orte Harzburg, südöstlich von Goslar.
Geringe Mauerreste sind noch vorhanden. Der Berg trägt jetzt ein Gasthaus, sowie
ein Denkmal des Fürsten Bismarck.
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_Iv Heinrich Hanno Heinrich Heinrich Heinrichs Adalberts_Einfluß Heinrich Heinrich Heinrich Heinrichs_Lieblingssitz Heinrichs Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Otto Otto Otto Egino Otto Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Otto Otto Magnus Magnus Otto Heinrichs Heinrichs Benno_von_Osnabrück
42
Mittlere Geschichte.
freigegeben, Magnus aber blieb gefangen zurück. Da nun der alte Sachsenherzog
gerade gestorben war, fürchteten die Sachsen, Heinrich wolle ihr Herzogtum an sein
Haus ziehen. Dazu hatten die Umwohner der ihnen verhaßten Burgen von den Be-
wohnern derselben oft Gewaltthätigkeit zu dulden.
Otto von Nordheim stellte sich an die Spitze der Mißvergnügten.
Auf einer großen „Tagfahrt" (Versammlung) gelobten sich Fürsten und
Bauern des Sachsenlandes gegenseitigen Beistand und beschlossen, zum
Schutze ihrer alten Rechte und Freiheiten die Waffen gegen den König
zu erheben. Uber 60 000 Sachsen standen in wenigen Tagen vor der
Harzburg, wohin Heinrich sich von Goslar begeben, um seine Person zu
sichern. Sie verlangten, er solle die in ihrem Lande errichteten Burgen
sofort brechen und Magnus freigeben; sie wurden aber abgewiesen. Da
umschlossen sie die Burg von allen Seiten; dennoch gelang es Heinrich,
mit einigen Vertrauten zu entkommen. (1073.) Ein Jager aus der
Umgegend, der Weg und Steg daselbst kannte, führte den kleinen Zug durch
das rauschende Dickicht. Drei Tage setzte man ohne Unterbrechung die
Reise fort. Die Harzburg und den gefangenen Magnus hatte der König
der Obhut der tapfersten Jünglinge aus seinem Gefolge anvertraut. Um
die Hülfe der übrigen Fürsten des Reiches gegen die Sachsen zu gewinnen,
mußte er zunächst Magnus freigeben, da sie durch dessen Gefangenhal-
tung sich selbst beleidigt fühlten; ja, er fiel ihnen sogar zu Füßen und
bat flehentlich, Erbarmen mit ihm zu haben und ihn in seiner Not nicht
zu verlassen. Aber die Fürsten verließen ihn treulos, die ärgsten Ver-
leumdungen wurden gegen ihn verbreitet, und bereits war ein Fürstentag
bestimmt, an welchem er abgesetzt werden sollte.
So vom Adel verlassen, fand Heinrich in den rheinischen Städten treue
Anhänger. Die Bürger von Worms holten ihn in kriegerischer Rüstung
in ihre Stadt ein und versprachen, mit ihrem Leibe und ganzem Ver-
mögen ihm zu dienen. Der Bischof von Worms wollte sich Heinrich
widersetzen, ward aber von seinen Unterthanen verjagt. Worms war
eine reiche, dicht bevölkerte Stadt, gut befestigt und mit allen Kriegs-
bedürfnissen wohl versehen. Dem Beispiele von Worms folgten bald
viele andere Städte am Rhein. Da lud Heinrich die Fürsten noch ein-
mal ein, und manche kamen; nochmals warf er sich ihnen zu Füßen,
bekannte offen seine, im jugendlichen Übermute begangenen Fehlgriffe
und versprach, zukünftig so zu handeln, wie es einem Manne, einem
Könige gezieme. Aber auch diesmal erreichte er wenig. Da beschloß er,
mit den'sachsen in Unterhandlungen zu treten. Mit einem nur kleinen
Heere zog er ihnen entgegen und schickte Abgesandte an sie. Die Sachsen
verlangten: er solle die Bungen in ihrem Lande niederreißen, ihnen ihre
alten Freiheiten lassen, die eingezogenen Güter zurückgeben und Otto
von Nordheim wieder in das Herzogtum Bayern einsetzen. Nach langem
Widerstreben willigte Heinrich ein und entließ sein Heer. Die Burgen
wurden den sächsischen Bauern zum Abtragen ausgeliefert. Mit Ingrimm
verließ Heinrich das Sachsenland.
Die Mauern der Harzburg waren eingeriffen, die Wälle abgetragen,
die Gräben verschüttet; nur die kirchlichen Gebäude standen noch. Die
übrigen Burgen wurden ganz dem Erdboden gleich gemacht. Da stürmten
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Extrahierte Personennamen: Magnus Magnus Heinrich Heinrich Otto Heinrich_sich_von_Goslar Heinrich Magnus Magnus Heinrich Heinrich Magnus Magnus Magnus Magnus Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Otto Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich
Heinrich Iv.
43
am dritten Tage nach Heinrichs Abreise die Bauern in hellen Haufen den
Burgberg zu der Harzburg hinauf und zerstörten alles bis auf den Grund.
Sie'raubten, was sie fanden, steckten die schöne Kirche in Brand, zer-
schlugen die Altäre, rissen die Reliquien aus den Schränken und streuten
sie umher. Selbst die Gräber verschonte man nicht: die Gebeine von
Heinrichs ältestem Sohne und von seinem Bruder wühlte man auf.
Dieser treulose Friedensbruch und diese Roheit der Sachsen verletzte nicht
nur den König aufs empfindlichste, sondern empörte auch alle rechtlich
denkenden Menschen und führte Heinrich von allen Seiten Anhänger zu,
auch seine bisherigen Feinde Rudolf von Schwaben und Welf
von Bayern. Das ganze Reichsheer wurde aufgeboten. An der
Unftrul, zwischen Langensalza und Hohenburg, schlug Heinrich
die Sachsen. (1075.)
Mit einer bedeutenden Übermacht griff Heinrich sie an; aber trotzdem hielten
sie sich bis zum Nachmittage, und ihr Verlust war weit geringer, als im Heere des
Königs. Endlich mußten sie doch der Übermacht weichen. Die sächsischen Ritter
entkamen auf ihren schnellen Rossen in der ihnen genau bekannten Gegend leicht;
aber die armen Bauern wurden sämtlich niedergemetzelt. 8000 Sachsen sollen an
diesem Tage getötet sein. Aber auch der König hatte über 1000 edle Ritter verloren,
und der Sieg war über die eigenen Unterthanen erfochten.
Er durchzog nun das Sachsenland mit Feuer und Schwert und bot noch zum
zweitenmal das Reichsheer auf; da unterwarfen sich die Sachsen. Viele der sächsischen
Großen behielt er in Haft; den gefährlichsten derselben, Otto, gab er aber bald wieder
frei, nachdem derselbe seine beiden Söhne als Geiseln gestellt hatte; ja, Heinrich setzte
ibn sogar zum Verweser über Sachsen ein. Die zerstörten Burgen wurden wieder
hergestellt. So hatte der König sich eine Stellung erkämpft, wie sie der Krone würdig
war; er ahnte damals gewiß nicht, daß ihm die tiefste Demütigung noch bevorstand.
cl. Gregor Vii., Simonie, Cölibat, Investitur. Um diese Zeit
saß Gregor Vii., früher Hildebrand genannt, auf dem päpstlichen Stuhle.
Er war aus Italien, wahrscheinlich von niederer Herkunft. Früh trat
er in ein Kloster bei Rom, dessen Abt sein Verwandter war; später
wurde er Mönch in dem durch seine vielen Bußübungen und strenge
mönchische Zucht berühmten Kloster Cluni 1 (spr. Klüni). Hier lernte
ihn der Papst Leo Ix. kennen und nahm ihn mit nach Rom. Unter
Leo und den folgenden vier Päpsten gewann Hildebrand bald solch großen
Einfluß, daß er in Wirklichkeit, wenn auch nicht dem Namen nach, die
römische Kirche2 regierte. Sein Streben ging dahin, die Kirche von
allem weltlichen Einflüsse zu befreien und denpapst über
alle Herrscher der Erde zu erheben. Einst schrieb er: „Die Welt
wird durch zwei Lichter gelenkt, durch die Sonne, das größere, und durch
den Mond, das kleinere. So ist die apostolische Macht die Sonne, die
kaiserliche der Mond. Denn wie dieser sein Licht von jener hat, so sind
Kaiser und Könige und Fürsten nur durch den Papst, weil dieser durch
Gott ist. Also ist die Macht römischen Stuhles größer als die
Macht der Throne; nur des Papstes Name darf in dem Kirchengebete
genannt werden; ihm ist erlaubt, Kaiser abzusetzen und Unterthanen von
der Pflicht gegen abtrünnige Fürsten zu entbinden."
1 Nördlich von Lyon. 2 1053 hatte sich die Kirche in eine römisch-katholische
(abendländische) und eine griechisch-katholische (morgenländische) gespalten.
1075
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_Iv Heinrich Heinrichs Heinrichs Heinrichs Heinrichs Heinrich Heinrich Rudolf_von_Schwaben Rudolf Welf
von_Bayern Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Otto Heinrich Heinrich Gregor_Vii Gregor Gregor_Vii Gregor Leo_Ix Leo Leo Leo Hildebrand
Extrahierte Ortsnamen: Harzburg Sachsen Langensalza Hohenburg Sachsen Sachsen Sachsen Sachsen Italien Rom Cluni Rom Lyon
Rudolf von Habsburg. 81
Dadurch entstand ein Getümmel, in welchem Hartmut lebendig gefangen
genommen wurde.
Nun drang Wate stürmend in die Burg ein und wütete darin wie
ein Würgengel. Ortrun und viele ihrer Mägde flüchteten sich in Gudruns
Schutz;'als aber auch Gerlinde ihr hülfeflehend zu Füßen fiel, sprang
Wate mit funkelnden Augen und zähneknirschend herbei, schleppte sie mit
den Worten: „Nun soll meine Jungfrau euch nimmermehr die Kleider
waschen!" hinaus und schlug ihr das Haupt ab. Dann ward die Burg
geplündert und verbrannt, das Land durch zurückgelasiene Heerhaufen
unterworfen. Gudrun eilte mit ihren Jungfrauen und dem gefangenen
normannischen Geschwisterpaare, Ortrun und Hartmut, auf schnellen
Schiffen nach der Heimat, wo Hilde sehnsüchtig der lang entbehrten
Tochter harrte. Dort führte der vielgeprüften Heldin engelhafte Güte
eine Versöhnung herbei, welche mit dem Hochzeitsreigen von vier glück-
lichen Paaren endigte: Herwig und Gudrun, Ortwin und Ortrun, Hart-
mut und Hildburg, Siegfried von Morland und Herwigs ungenannte
Schwester. So endete Leid und Trauer in Freuden, und statt der
waffenstarrenden Kriegsflotten fuhren jetzt bekränzte Hochzeitsschiffe über
die ruhige See.
Xii. Nudolf von Habsburg; 1273—1291.
a. Das Interregnum; Rudolfs Wahl. Nach dem Tode des letzten
deutschen Königs aus dem hohenftaufischen Hause, Konrads Iv., im
Jahre 1254, trug kein deutscher Fürst Verlangen nach der Krone.' Der
Erzbischof von Köln verkaufte seine Stimme an den Bruder des Königs
von England, der Erzbischof von Trier die seinige an einen Spanier.
Keiner von beiden gelangte zu Macht und Ansehen; der letztere kam nie
nach Deutschland, der erstere nur einige Male, um durch Geschenke die
Anhänglichkeit seiner Wähler sich zu erhalten. Als ihm bei seiner Fahrt
rheinaufwärts das Geld ausging, verließen ihn alle, und „er zog auf
einem anderen Wege wieder in sein Land", wie eine alte Chronik spöttisch
berichtet.
Die Fürsten suchten in dieser Zeit ihr Gebiet zu vergrößern, ihre
Gerechtsame zu vermehren und wurden fast zu selbständigen Herrschern.
Trotz des oft gebotenen Landfriedens herrschte Fehde überall. Die meisten
Ritterburgen wurden Raubnester; niemand war da, die Schwachen gegen
die Starken zu schützen. Das war „die kaiserlose, die schreckliche Zeit",
die Zeit des Faustrechts. Weil in dieser Zeit von 1254 bis 1273 1254
Deutschland kein Oberhaupt hatte, so nennt man dieselbe Interregnum,
d. i. Zwischenreich. Endlich entstand doch in aller Herzen der sehnliche
Wunsch, es möge Deutschland wieder ein Oberhaupt gegeben werden,
das Gesetz und Ordnung im Reiche wieder herstelle. Auch der Papst 1
1 1254 lebte allerdings noch der Gegenkönig Friedrichs Ii. und Konrads Iv.,
Wilhelm von Holland; derselbe ward aber schon 1256 von srießschen Bauern
auf dem Eise erschlagen, ohne daß sie ihn kannten.
Hoffmeyer und Hering, Hülfsbuch Ii.
6
TM Hauptwörter (50): [T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind], T46: [Heinrich König Otto Kaiser Sohn Herzog Karl Ludwig Sachsen Jahr], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
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118
Neue Geschichte.
buch von 1524 enthielt 8 Lieder. Um der großen Unwissenheit, die
Luther bei seiner Kirchenvisitation bei dem Volke, wie auch bei den Geist-
lichen angetroffen hatte, zu steuern, verfaßte er den großen und klei-
1529nen Katechismus, die 1529 erschienen und zu den symbolischen
Büchern der lutherischen Kirche gerechnet werden.
In der Vorrede zum kleinen Katechismus sagt Luther: „Hilf, lieber Gott, wie
manchen Jammer habe ich gesehen, daß der gemeine Mann doch so gar nichts weiß
von der christlichen Lehre, sonderlich auf den Dörfern, und leider viel Pfarrherren fast
(sehr) ungeschickt und untüchtig sind zu lehren, und sollen doch alle Christen heißen,
getauft sein, und der heiligen Sakramente genießen, können weder Vater Unser, noch
Glauben oder zehen Gebote, leben dahin, wie das liebe Vieh und unvernünftige Säue."
— Schon 1 530 konnte Luther an den Kurfürsten schreiben: „Es wächset jchtund da-
her die zarte Jugend von Knäblein und Mägdlein, mit Katechismus und Schrift wohl
zugerichtet, daß mir's im Herzen sanft thut, daß ich sehen mag, wie jetzt junge Knäb-
lein und Mägdlein mehr lernen, glauben und reden können von Gott, von Christo,
denn zuvorhin und noch alle Stifter,, Klöster und Schulen gekonnt haben und noch
können." Friedrich Ii., Herzog von Schlesien, befahl, daß man ihn mit dem kleinen
Katechismus in der Hand begrabe, und ein Fürst von Anhalt schrieb in seinen Kate-
chismus: „Nächst der Bibel ist dies mein bestes Buch."
6. Zwingli. Gleichzeitig mit Luther, aber unabhängig von ihm,
begann auch Ulrich Zwingli (geb. 1484) das Werk der'neformation.
Schon als Prediger zu Maria-Einsiedeln, einem vielbesuchten Wallfahrts-
orte im Kanton'schwyz, lehrte er: „Gott läßt sich allenthalben finden;
das Wallfahrten allein nützt nichts ohne innere Besserung; Gott vergiebt
allein um Christi willen den bußfertigen Menschen die Sünde." 1518
kam Zwingli als Prediger nach Zürich und lehrte auch dort das lautere
Evangelium, zeugte wider Aberglauben, Verderbnis der Geistlichen und
andere Mißbräuche der Kirche, und das Volk strömte ihm zu. Als der
Ablaßkrämer Samson auch nach Zürich kam, predigte Zwingli so gewaltig
gegen ihn, daß demselben der Verkauf des Ablasses in Zürich untersagt
wurde. Der Papst suchte Zwingli durch Versprechungen zum Schweigen
zu bringen; als dies nicht gelang, forderte der Bischof von Basel den
Rat der Stadt Zürich auf, alle kirchlichen Neuerungen einzustellen. Um
die Gerechtigkeit seiner Sache darzuthun, bat Zwingli um ein öffentliches
Religions gespräch, das in Zürich unter Anwesenheit von 600 Geist-
lichen stattfand und in welchem Zwingli alle seine Gegner überwand.
Der Rat und die Bürger Zürichs waren von der Wahrheit der Lehren
Zwinglis so überzeugt, daß allen Züricher Geistlichen geboten wurde:
„Es sollen alle Pfarrer ihre Lehre einzig nach der Bibel beweisen, die
Neuerungen und menschlichen Erfindungen aber weglassen." Auf Zwinglis
Rat wurden die Klöster aufgehoben, die Messe, das Cölibat, das Weih-
wasser, die letzte Ölung, die Fronleichnams-Prozession abgeschafft, die
Reliquien vergraben, alle Bilder, ja sogar die Orgeln aus den Kirchen
entfernt. 1524 verheiratete sich Zwingli; 1525 feierte man zum ersten-
mal das Abendmahl in Zwinglischer Weise, wobei das Brot in hölzer-
nen Schüsseln herumgereicht und der Wein aus hölzernen Bechern ge-
trunken wurde. Dem Beispiele Zürichs folgten viele andere Städte, wie
Basel, St. Gallen, Bern, Mühlhausen, Straßburg, Augsburg, Ulm,
Konstanz; dagegen blieben im Innern der Schweiz — in Luzern,
Schwyz, Zug, Uri und Unterwalden — das Bergvolk und der
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Der schmalkaldische Krieg,
125
schlug tapfer auf sie ein. Dabei erhielt er einen Hieb in die linke Wange; in dem-
selben Augenblicke fragte ihn ein Ritter in deutscher Sprache, ob er sich nicht ergeben
wolle. Weil der Kurfürst an der Sprache diesen Feind als Deutschen erkannte, zog
er zwei Ringe vom Finger und gab sie ihm zum Zeichen seiner Gefangenschaft. Dieser
brachte ihn zum Herzog Alba. Der Kaiser hielt zu Pferde mitten auf der Heide und
gab eben den Befehl, das zerstreute Heer zu sammeln. Da kam Alba langsam mit
dem Gefangenen heran. Des Kurfürsten Gesicht blutete stark, und sein ganzes Panzer-
hemd war mit Blut bedeckt; sein Anblick erregte allgemeines Mitleid. Als er den
Kaiser erblickte, hob er die Augen gen Himmel und sagte: „Herr Gott, erbarme dich
meiner, nun bin ich hier!" Alba half ihm vom Pferde und führte ihn an seiner
Rechten vor den Kaiser. Der Kurfürst wollte aufs Knie sinken und seinen Blech-
handschuh abziehen, um Karl nach deutscher Sitte die Hand zu reichen. Aber Karl
litt keins von beiden, sondern wandte sich mit bitterer Miene ab. „Großmächtigster,
allergnädigster Kaiser!" sprach der Tiefgebeugte. „So", fiel ihm der stolze Sieger ins
Wort, „bin ich nun euer gnädigster Kaiser? So habt ihr mich lange nicht geheißen.
Vor Ingolstadt war ich nur Karl von Gent und gewesener Kaiser." Der Kurfürst
fuhr fort: „Ich bin Ew. kaiserlichen Majestät Gefangener und bitte um ein fürstliches
Gefängnis." — „Wohl", war die Antwort, „ihr sollt gehalten werden, wie ihr es
verdient habt." Der Kaiser verließ das Schlachtfeld mit den Worten: „Ich kam, ich
sah und — Gott siegte." —
c. Folgen der Schlacht. Nach zweitägiger Rast zog Karl über
Torgau, das stch sogleich ergab, gegen Wittenberg. Hier geriet
alles in Verwirrung; die Universität war schon im Winter geschlossen,
Melanchthon war gleichfalls nicht mehr anwesend. Aber des Kurfürsten
wackere Gemahlin und ihre Söhne beschlossen die Verteidigung der festen
Hauptstadt. Da forderte der Kaiser den Kurfürsten auf, den Seinigen
die Übergabe zu befehlen, und drohte ihm, als er sich weigerte, mit dem
Tode. Allein Johann Friedrich entgegnete standhaft, das Unglück habe
ihm den Mut nicht geraubt. Da ließ ihn der Kaiser durch ein Kriegs-
gericht förmlich zur Strafe des Schwertes verurteilen. Das Urteil wurde
ihm mitgeteilt, als er eben mit einem Mitgefangenen, Herzog Ernst
von Braunschweig-Lüneburg, am Schachbrett saß. Ruhig und
fest erwiderte er: „Ich kann nicht glauben, daß der Kaiser dermaßen mit
mir handeln werde; ist es aber gänzlich also bei der kaiserlichen Majestät
beschlossen, so begehre ich, man soll es mir fest zu wissen thun, damit
ich das, was meine Gemahlin und Kinder angeht, bestellen möge."
Auf diese Nachricht hin kamen der Kurfürst Joachim U. von
Brandenburg und Herzog Wilhelm von Kleve, der Kurfürstin
Bruder, zum Kaiser und baten um Gnade für den Verurteilten. Der
Kaiser versprach endlich Begnadigung, wenn Johann Friedrich die Kur-
lande abträte und Gefangener des Kaisers bliebe. Nach langer Zögerung
unterzeichnete derselbe den Vertrag, die Wittenberger Kapitulation.
Doch mußte Moritz den Kindern des Gefangenen eine jährliche Einnahme
von 50 0o0 Gulden anweisen und ihnen zur Sicherstellung dieser Summe
die Gebiete von Weimar, Jena, Gotha, Eisenach und einige
andere Plätze einräumen. (Aus diesen entstanden nachher die jetzigen
sächsischen Herzogtümer.) Der größte Teil der Länder aber und die Kür-
würde ging von der ernestinischen auf die albertinische Linie über.
Einige Wochen darauf wurde Moritz noch im Lager zum Kurfürsten
ausgerufen und bald nachher in Augsburg öffentlich belehnt, wobei der
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Karl Karl_von_Gent Karl Karl_über
Torgau Karl Melanchthon Johann_Friedrich Johann Friedrich Ernst
von_Braunschweig-Lüneburg Ernst Wilhelm_von_Kleve Wilhelm Johann_Friedrich Johann Friedrich Moritz Moritz
ns
Neue Geschichte.
gehörten außer Albrecht noch Johann von Küstrin, sowie Philipps
Sohn, Wilhelm von Hessen, und ein Herzog von Mecklenburg
zu den Verbündeten. Leider gestatteten diese Fürsten dem französischen
König die Besetzung der deutschen Städte Cambrai, Metz, Toul
und Verdun, dereu Bewohner französisch redeten.
Moritz hatte seine Bündnisse mit so bewunderungswürdiger Vorsicht
abgeschlossen, daß weder seine eignen Räte, noch der Kaiser etwas davon
gemerkt hatten. Als Magdeburg sich unter günstigen Bedingungen er-
gab, behielt er sein Heer zusammen und führte es nach Süddeutschland.
Die geistlichen Kurfürsten schrieben dem Kaiser vom Konzil zu Trient
aus ihren Verdacht; er aber erwiderte ihnen, sie sollten sich nicht durch
jedes Gerücht in Furcht setzen lassen. Er meinte, eine solche Verstellung
sei bei einem deutschen Fürsten unerhört, und er habe Moritz nie Anlaß
zur Unzufriedenheit gegeben. Letzterer wußte sich schriftlich zu rechtfertigen
und den Kaiser in Sicherheit zu wiegen. Zum Scheine ließ er sich
sogar in Innsbruck, wo der Kaiser war, eine Wohnung mieten. Auf
der Reise dahin stellte er sich plötzlich krank und ließ den Kaiser davon
benachrichtigen. Dann zog er im März 1552 seine Truppen zusammen
und trat offen gegen den Kaiser auf. Er beschuldigte diesen, daß er ihre
wahre christliche Religion, wie sie dieselbe zu Augsburg bekannt, ausrotte;
die Gefangenschaft Philipps nannte er eine „Infamie und Unbilligkeit."
Namentlich beklagte er sich über die grausamen spanischen Truppen,
die Karl gegen seinen Schwur ins Land geführt habe; er wolle die
Deutschen „zu einer solchen unerträglichen, viehischen, erblichen Servitut,'
Joch und Dienstbarkeit bringen, wie bei andern Nationen vor Augen sei."
Von Augsburg rückte er vor die Ehrenberger Klause (im'norden
Tirols, am Lech), die von Kaiserlichen besetzt war. Ein Schäfer zeigte ihm
in der Nacht einen geheimen Pfad auf den Felsen; ein verwegener Sturm
öffnete die Pforten, und die überrumpelte Besatzung ergab sich. Als aber
die Soldaten den Lohn nicht gleich bekamen, den Sturmlaufende nach
alter Sitte erhalten mußten, entstand eine Meuterei, durch welche Moritz
einen Tag aufgehalten wurde. So hatte Karl Zeit, sich zu retten. Nachts,
bei schrecklichem Regenwetter, brach er auf. Seine Diener trugen ihn in einer
Sänfte nach Villach in Kärnthen, 30 Meilen von Innsbruck; mit Fackeln
in der Hand fanden sie ihren Weg durch die Pässe der Tiroler Alpen.
Karl mußte nachgeben. Auch sein Bruder Ferdinand war insgeheim mit
Moritz im Bunde, weil Karl feinen Sohn, den finstern Philipp, zu
seinem Nachfolger im Reich machen wollte, während Ferdinand gleich-
falls auf die deutsche Krone hoffte. So kam es zum Passau er Ver-
1552 trage, durch welchen vorläufig jeder Kampf aufhörte und die gefangenen
Fürsten freigegeben wurden; das Interim ward aufgehoben, und die
vertriebenen Geistlichen kehrten zurück.
Moritz' früherer Waffengefährte, Albrecht Alcibiades, ließ sich
durch den Passauer Vertrag vom Kampfe nicht abhalten. Zunächst unter-
stützte er den Kaiser, der leider vergeblich versuchte, Metz den Franzosen
wieder abzunehmen, so daß diese wichtige Stadt dem Reiche verloren 1
1 Knechtschaft.
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Extrahierte Personennamen: Albrecht_noch_Johann_von_Küstrin Albrecht Johann Philipps Philipps Wilhelm Moritz Moritz Philipps Philipps Karl Karl Moritz Karl Karl Karl Karl Ferdinand Ferdinand Moritz Karl Karl Philipp Philipp Ferdinand Ferdinand Albrecht_Alcibiades Albrecht